Fluch oder Segen
Untersuchungen der Unternehmensberatungsfirmen Catalyst (2004) und McKinsey (2007), BCG (2020) haben gezeigt, dass Unternehmen mit einer Mindestanzahl von Frauen (etwa einem Drittel) in den höchsten Führungsgremien tatsächlich bessere Kennzahlen erwirtschaften als Unternehmen ohne bzw. mit weniger Frauen in Führungspositionen.
Managementratgeber machen dies an „typisch weiblichen“ Führungseigenschaften, den so genannten „soft skills“, fest: Einfühlungsvermögen, Kooperationswille, Fähigkeit zum ganzheitlichen, vernetzten Denken und zur offenen Kommunikation mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, dem Management von Komplexität und Multikulturalität, einem kooperativen und partizipativen Führungsstil, einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn sowie dem Verzicht auf Machtgebaren und starren Hierarchien.
Demnach könnte man meinen, dass Frauen endlich ihren Weg in die höchsten Führungspositionen gefunden haben. Aber so hoffnungsvoll diese These klingen mag, so trügerisch erweist sie sich bei näherer Betrachtung.
Einerseits sendet die „soft skills“-Debatte die Botschaft aus: Frauen werden es in die Chefsessel schaffen, erstens, weil es nicht mehr genügend Männer für diese Aufgaben gibt (Fachkräftemangel), und zweitens, weil Frauen einfach besser sind. D.h. sie brauchen eigentlich nichts zu tun als abzuwarten, und das Wundermittel „soft skills“ wirkt ganz von alleine.
Der gegenteilige Diskurs dagegen warnt Frauen vor dem harten Geschäft des Managements und will ihnen beibringen, wie sie erfolgreich („männlich“) agieren können. Beide Argumentationen haben gemeinsam, dass sie Karriere, Führung und Management subjektivieren und individualisieren und jeweils nahelegen, dass erst die richtigen persönlichen Eigenschaften zum Erfolg führen. Dadurch werden die strukturellen, ökonomischen, situativen und sozialen Bedingungen vernachlässigt, die eine Führungskraft umgeben.
Befähigen soft skills wirklich zum führen?
Bei Befragungen wurden Probanden gebeten, Attribute erfolgreicher Führungskräfte aufzulisten. Sowohl weibliche als auch männliche Teilnehmende gaben hier Eigenschaften an, die keineswegs als Soft skills gelten: Eigeninitiative, Entschlussfreudigkeit, Leistungsorientierung, Zielstrebigkeit, Bestimmtheit, Dominanz, Überzeugungskraft, Durchsetzungsfähigkeit und große Selbstsicherheit. Eigenschaften, die bis heute in der öffentlichen Wahrnehmung eher mit Männern als mit Frauen in Verbindung gebracht werden.
Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Untersuchungen, die seit Ende der 1980er Jahre weltweit durchgeführt wurden insbesondere Studien die in einer konkreten Unternehmenssituation durchgeführt wurden, verneint signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede im Führungsverhalten. Vielmehr gleichen sich erfolgreiche männliche und weibliche Führungspersonen in wichtigen Punkten. Aber auch wenn Unterschiede gefunden wurden, sind damit keineswegs a priori bestimmte „weibliche Fähigkeiten“ gegeben.
Zugrundeliegende Geschlechtertheorie
In der mittlerweile umfangreichen Literatur zur Geschlechterdifferenz (z.B. Gildemeister & Wetterer 1992) lassen sich zwei unterschiedliche Grundsatzpositionen unterscheiden:
- die egalitäre Position, die behauptet, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gesellschaftlich bedingt seien und sich überwinden lassen und
- die dualistische Position, die behauptet, dass es grundsätzliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, dessen Wurzel in derer psychischen und physischen Natur liegt, die auch von Sozialisationsprozessen mitbedingt sein kann.
Die grundsätzliche Problematik sämtlicher Ansätze besteht in der Fokussierung auf den „weiblichen“ Sozialcharakter, der gerade bei Frauen das Geschlecht als vorrangiges Differenzierungsmerkmal festschreibt.
Die „soft skills“-Debatte orientiert sich ganz eindeutig an dieser dualistischen Position, weiß sie doch weibliche Eigenschaften zu benennen, die Frauen qua Natur oder Erziehung besitzen. Dennoch. historisch betrachtet, wurden Frauen bestimmte Eigenschaften nicht zugeschrieben, weil diese als natürlich-weiblich, sondern als minderwertige galten. Die scheinbar „guten weiblichen Eigenschaften“ sind traditionell diejenigen, die zum Ausschluß der Frauen aus bestimmten Positionen und Erwerbsbereichen führten. Männer in Führungspositionen haben immer noch eine selbstverständliche Daseinsberechtigung, welche sich Frauen erst verdienen müssen.
Die gute Mutter und der Held
Die meisten propagierten „weiblichen Eigenschaften“ passen zur Rolle der fürsorglichen und doch organisierten Mutter, die ihre Familie fest im Griff hat, aber liebevolle Beziehungen nicht aus den Augen verliert.
Komplementär zur Mutter ist die männliche Rolle die des tapferen Kriegers, der scheinbar autark in die weite Welt hinauszieht, gleichzeitig aber nach der Mutter sucht. Der „Held“ erwartet im Unternehmen von der Frau die Schaffung eines guten Klimas, kooperativen Führungsstil, Menschlichkeit, Wärme und Förderung des Teamgeistes, also genau das, was heute unter „soft skills“ verstanden wird. Mit diesem Rollenangebot werden Frauen in höheren Positionen daran gehindert, zur ersten Autorität zu werden.
Oft nehmen die Frauen diese Mutterrolle gerne an, finden sie doch damit Anerkennung und bewegen sich auf sicherem Terrain. Dennoch, wenn die Frau diese Mutterrolle nicht erfüllt, wird sie als ungeeignete Vorgesetzte betrachtet. Wenn sie diese erfüllt, wird sie auf eine Rolle festgelegt, die nicht mit großer Macht verbunden ist, sondern nach innen wirkt.
Es ist wichtig zu betonen, daß dies zusätzliche Anforderungen an die weibliche Führungskraft sind, denn von der fachlichen Aufgabe ist sie keineswegs entbunden. Hier zeigt sich eine neue Doppelbelastung der Frauen: anders als der taffe Manager müssen sie eine Gratwanderung vollführen, stets so weiblich zu sein, daß die „geschlechterstereotypischen“ Erwartungen an sie erfüllt werden, und so professionell, daß sie den Führungstätigkeiten gewachsen sind.
Fazit
Wenn die „soft skills“ allein den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen nicht fördern, dann sind andere Lösungen sinnvoller. Und diese werden seit geraumer Zeit durch interne und externe Kontrollinstanzen auch schon praktiziert: von Staat, Arbeitnehmerverbänden und Interessengruppen, die auf der Basis normativer Forderungen Chancengleichheit und Gleichstellung aller Gesellschaftsmitglieder fordern und fördern und etablierte Vorrechte einzelner Gruppierungen abzubauen versuchen.
Das bewirkt langsam aber sicher einen Paradigmenwechsel und vielleicht wird mit der aktuellen „soft skills“-Debatte die Asymmetrie „männlich/weiblich“, „hart/weich“, „Kopf/Bauch“ umgekehrt und das „weibliche“ zum erstrebenswerteren Führungsmodell.
Wie sehen Sie das? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare!